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Der generative Change (1) – Wenn Sie noch nicht alles wissen und genau deshalb starten wollen


Der generative Change am Beispiel fach- und abteilungsübergreifender Zusammenarbeit

Auf neue Herausforderungen am Markt müssen wir adaptiv (= sich anpassend) reagieren. Dies ist zwingende Notwendigkeit für jedes Unternehmen und jede Organisation. Change ist überall, schon lange. Inzwischen macht sich vielerorts eine gewisse Ermüdung bemerkbar.

Was halten Sie davon, Ihren anstehenden Change dieses Mal anders anzugehen? Wie wäre es, wenn Sie sich anders verhielten und damit Veränderungen bei Ihrem Team anstoßen würden?

Ihre Mitarbeitenden könnten lernen, neu und anders zu formulieren, was in ihnen steckt und zugleich die (disruptiven) Innovationen und Changes auslösen, die Ihr Unternehmen optimal an neue gegenwärtige und zukünftige Marktszenarien anpasst. 

Ein machbares Kunststück? JA!

Lassen Sie uns die Kunst des generativen Change erfahren, erlernen, praktizieren!

Als Berater erlaube ich mir heute einen neuen, frischen Blick auf Kundenorganisationen. Bei meinen Einsätzen beobachte ich die Mitarbeiten: Ihre Erwartungen, Erschöpfung und ihre Ungeduld. Ihre Suche nach Führung, Steuerung und ihre Neigung, zurück zu delegieren. Sie sind gefangen in „alten“ Denkmustern. Zugleich bemerke ich Neugier, Offenheit und den Wunsch, neue Chancen wahrzunehmen. All das ist verbunden mit einer Unzufriedenheit gegenüber dem „Mehr vom Selben“. Intuitiv wissen die Mitarbeiten, dass die Konzepte und Rezepte von gestern für den neuen Aufbruch nicht mehr reichen werden.

Der generative Change – passt wo?

Zugegeben: Der generative Change eignet sich nicht für jede Anforderung. Die Verbesserung fach- und abteilungsübergreifender Zusammenarbeit ist jedoch ein typischer Fall, auf den dieser Ansatz passt: Der Ansatz der dialogisch-generativen Organisationsentwicklung.

Als Führungskraft verhalten Sie sich wie?

Beim Generative Change wechseln Sie in die Rolle eines Gastgebenden. Ihre Aufgabe ist es, „die Geschichte zu hören“ anstatt selbst Visionen zu verkünden.

Dazu schaffen Sie einen sinnstiftenden Raum, denn Sie wissen: Team bevorzugen heute psychologisch sichere Räume anstelle von zentral induzierten Changes. Dies drückt ihren Wunsch aus, die eigenen Kräfte und das Potenzial zu spüren anstatt sich erneut für von oben verkündete Visionen und Ziele engagieren zu wollen.

Wie öffnen Sie diesen Raum?

„Listen deeply“: Dieses „in der Tiefe zuhören“ ist für viele Führungskräfte ungewohnt. In ihrem Alltag drückt die Agenda. Dinge müssen getan werden. Das schnelle Handeln, also die „exploitative“ Seite des Denkens steht im Vordergrund – um die explorative Seite geht es weniger.

Daher gilt: Beim generativen Change müssen Führungskräfte anders und differenziert denken.

  • Mit welcher Absicht sind die Mitarbeitenden von sich aus heute hier?
  • Was sind die Dilemmata, die Hoffnungen und Ängste, die die Mitarbeitenden bei den täglichen Abläufen erleben? Wie genau sehen diese derzeit konkret aus?
  • Wie sind wir bis hierher gekommen? Was wurde erreicht – und was sind unsere „pain points“?
  • Welche Formen von Weigerung, Kritik, auch Zynismus und Angst sind aufgetaucht?
  • Existieren Regeln für die Zusammenarbeit? Gibt es Ablaufprozesse und inwiefern werden diese wirklich befolgt?
  • Was leisten unsere Prozesse: Geben sie Sicherheit? Wie geht das Team in der Praxis mit Unsicherheiten um?
  • Wie klar sind die Rollen definiert?
  • Inwiefern gibt es ein gemeinsames Verständnis von Zeitmanagement?
  • Wo nimmt die Führungskraft unterschiedliche Strategien wahr? Wo gibt es Machtspiele?
  • Machen die Mitarbeitenden den Job, um ihn (A) als solchen zu machen oder (B), weil sie anderen nicht trauen?
  • Wie kommt das Team zu mehr Klarheit?

Indem Sie diese und ähnliche Fragen im Raum stellen, identifizieren Sie zwei bis drei konkrete Themen, Phänomene, Prozesse, die Ihren Mitarbeitenden wirklich am Herzen liegen.

Wie kommen Sie von den identifizierten Themen zur Klarheit?

Alle Beteiligten gehen in den Dialog. Sie entwickeln Ideen, wie sie sich in Zukunft verhalten wollen: Welches Verhalten lohnt sich? Dabei beantworten sie folgende Fragen:

  1. Was muss sich ändern, damit Veränderungen greifen und erfolgreich sind?
  2. Welche Veränderungsprozesse haben Chancen auf Erfolg angesichts von Problemen, Kultur, bestimmten Beteiligten, Gegebenheiten und Einschränkungen?

Worin liegt die Rolle des Organisationsberaters?

Die Gespräche laufen ohnehin. Die Frage ist: Wie kommen die Beteiligten zu einer Verständigung in diesem Raum?

  • Der Organisationsberater/*in (bzw. die Führungskraft) als Facilitator*in übernimmt weniger die Rolle des Moderators als die des Gastgebers („Hosting“).
  • Auftrag ist, dass die Beteiligten miteinander sprechen – und nicht mit dem Berater (bzw. der gastgebenden Führungskraft, wenn das Modell rein intern durchgeführt wird.) Die Gefahr wäre, dass der Berater oder die Führungskraft in der Rolle des Moderators „durch Fragen führt“ und dadurch doch wieder die Kontrolle ausübt.
  • Er oder sie sollte gut vorbereitet sein und das eigene Mindset hinterfragen – so als wäre er/sie selbst zunächst einmal Teilnehmende(r).
  • Was bewegt den/die Auftraggeber*in/ Sponsor*in dieser Organisation bzw. des Geschäftbereiches? Hier müssen wir mit dem Sponsor in die Auftragsklärung gehen, den/die wir für eine Autorisierung des Projekts brauchen.
  • Die Beteiligten dazu bringen zu sagen, wovon sie mehr wollen, was eine wünschenswerte Zukunft wäre und wie diese aussieht.

Worin liegt der qualitative Unterschied?

Kommen wir zur Kernfrage: Was ist hier anders? Worin liegt der qualitative Unterschied in der Kommunikation zwischen den Beteiligten? Wie entsteht dieser „Container“, in dem die notwendige offene, achtsame und psychologisch sichere Kommunikation für einen generativen Dialog stattfinden kann?

Zunächst muss bei den Beteiligten die Bereitschaft zum Dialog gegeben sein. Nach meiner Erfahrung ist dies alles andere als selbstverständlich: Manche Beteiligte springen zurück und suchen den Facilitator, um nach Vorgaben, Zielen oder Regeln zu fragen. Andere stellen infrage, dass diese Vorgaben nicht existieren.

Ähnlich wie beim „Learning to learn“ kann zum Auftakt auch hier ein Modul „dialoguing to dialogue“ sinnvoll sein. Alle Beteiligten müssen die Bereitschaft entwickeln, reale Geschichten beizutragen 

  • über den Zweck ihrer Zusammenarbeit („Purpose“),
  • was die Beteiligten gemeinsam bewegt,
  • wo man schon gut im „doing“ miteinander ist,
  • aber auch und gerade, wo man eher „hängt“.

Ein neuer Fokus – was zählt

Wichtig ist eine offene, kollaborative Reflexion über das „Selbst“ in der Organisation. Das Gespräch muss sich von dem unterscheiden, was üblich ist. Weg vom betriebswirtschaftlichen und technischen Fokus – sowie von klassischen Dilemma- / Decision-Prozessen. Der generative Change nimmt bewusst Abstand von einer Problemlösung „von oben“ oder durch Experten. Es sind die Beteiligten selbst, die Veränderung induzieren.

Diese Unterscheidung muss bewusst getroffen werden!

Dabei geht das generative Arbeiten im Dialog immer über die eigene Abteilung hinaus. Fragen spielen eine Rolle, doch sie sollten eher stimulieren als steuern und einengen. Auf gar keinen Fall darf der Facilitator /Organisationsberater*in oder Führungskraft) den Eindruck erwecken, Wege und Ergebnisse bereits zu kennen.

Ein Kunde formulierte es sinngemäß zuletzt so: Es geht uns um echte Resonanz, das heißt um den Zugang zu Gesprächen, wie sie normalerweise in der Kaffeeküche und am „Kicker“ üblich sind.

Worin liegt die Startbasis? Und was macht den generativen Dialogprozess aus?

Wichtig ist:

  • Das Sammeln von relevanten Informationen,
  • auf deren Basis geprüft wird, inwieweit freie, informierte und reflektierte Wahlmöglichkeiten bestehen,
  • zu denen sich die Beteiligten tatsächlich bekennen können, wenn sie ihre Organisation wirklich aktiv verändern wollen.

Welche weiteren, neuen Konstituenten gibt es im generativen Dialog?

  • Anders als am Beginn eines klassischen Change-Prozesses steht die Diagnose beim generativen Dialog noch nicht fest. Die Befragung geschieht praktisch simultan mit der Veränderungsarbeit. Dies bewirkt eine deutliche Befreiung des Denkens.
  • Der generative Dialog will keine klassische „Problembeschreibung“ erzeugen, sondern zu Vielfalt und komplexem Denken ermutigen. Damit werden allzu vereinfachende Lösungen von vornherein vermieden.
  • Wenn die Beteiligten davon abrücken, Probleme „einfach“ zu beschreiben, müssen sie zugleich ihre Werte und Glaubenssätze zu ändern bereit sein. Hier bildet sich ein neues, adaptives „Mindset“ heraus.
  • Dies erfordert Mut und eine offene Haltung zu einer disruptiven Veränderung. Denn es geht um nichts weniger als um den Weg in eine erstrebenswerte Zukunft – z.B. in der kollaborativen Zusammenarbeit zwischen Bereichen.
  • Die Ergebnisse kommen am Ende also den beteiligten Menschen zugute, die diesen Change-Prozess im Wesentlichen durchführen.

Beispielhafte Situationen

Was also sind Beispiele für klassische Changes, die für eine solche dialogische Organisationsberatung und -entwicklung infrage kommen?

  • Eine neue Kultur der Sicherheit im Unternehmen.
  • Eine neue Generation der digitalen Technologie.
  • Gesundheit(smanagement) in einer Organisation.
  • Eine neue Zusammenarbeit zwischen Bereichen bzw. Abteilungen.

Was sind die Herausforderungen?

  1. Es gilt, mit Paradoxien umzugehen und Widersprüchliches zu integrieren. Dazu gehören Fragen wie „Wie kann Steuerung gleichzeitig durch Aufgaben/Workflows UND auf der menschlichen und Beziehungsebene erfolgen?“ „Wie kann simultan Stabilität UND Adaptibilität und Resilienz erzeugt werden?“
  2. Der Mindset der Führungskräfte – bei denen häufig die betriebswirtschaftliche und Ingenieursseite dominiert – in Richtung eines „Neuen Denkens“ (und Sprechens!).
  3. Es ist sinnvoll mitzudenken, dass die erstrebten (und ersehnten) Lösungen nicht zeitlos sind. Jede Lösung wird neue Herausforderungen verursachen. Wir denken also eher AGIL – in Iterationen. Wir wissen, dass wir dabei Fehler machen werden, von denen wir schnell lernen („fail forward“). Auch dies befreit das Denken!

Zum Abschluss: Eine kurze Checkliste zum Start Ihres Projekts:

  • Wie erreiche ich relevante Sponsoren für ein solches Projekt?
  • Wie gelingt ein „Loslassen“ der gewohnten Problemlösungsstrategien?
  • Was braucht es, um die klassische Form der Kontrolle zugunsten einer offenen Veränderungshaltung aufzugeben?
  • Inwiefern sind Einsatz, Commitment und Ressourceninput seitens der Beteiligten und insbesondere der involvierten Führungskräfte gewährleistet?

Lassen Sie uns hier ins Gespräch kommen – gutes Gelingen!


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